Forschungsprojekte

Aktuelle Forschungsprojekte

Hier finden Sie alle aktuell laufenden Forschungsprojekte der Abteilung für Komparatistik Bonn.

Projekte

Christian Moser
in Kooperation mit Seán Allen und Birgit Münch 

Gemeinsam mit Seán Allen (Department of German, University of St Andrews) und Birgit Münch (Kunsthistorisches Institut) verfolge ich o.g. Forschungsprojekt , das im Rahmen eines Collaborative Research Grant gefördert wird und am CERC sowie an dem Transdisziplinären Forschungsbereich ‚Present Pasts‘ (TRA 5) angesiedelt ist. Das Projekt analysiert den Umbau von Öffentlichkeit als Transformation des sozialen Imaginären für die Periode zwischen 1770 und 1815 in Frankreich, Deutschland und Großbritannien.  Es nimmt dabei verschiedene Untersuchungsebenen in den Blick:

  • theoretische Ansätze, die Öffentlichkeit als national beschränkte und agonistische Sphäre zu denken versuchen;
  • Tropen und Metaphern, die es erlauben, eine solche Öffentlichkeit als Einheit zu denken;
  • die neuen literarischen Genres und künstlerischen Formen, die als Träger des national kodierten sozialen Imaginären fungieren und eine solche Rhetorik implementieren;
  • literarische Texte, die die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Öffentlichkeit in fiktionalen Experimentalanordnungen reflektieren.

Christian Moser
internationale Forschungsgruppe Bonn - Genf - Leiden - Oxford

Das Projekt, an dem Forscher*innen aus Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich mitwirken (federführend: Markus Winkler/Genf und Maria Boletsi/Leiden), untersucht den semantischen Wandel des Barbarenbegriffs in der Literatur, den Künsten sowie in kulturtheoretischen und philosophischen Kontexten vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Band 1 der auf zwei Bände angelegten kollaborativ verfassten Begriffsgeschichte des Barbarischen ist 2018 im Druck erschienen (zur Publikation). Die Publikation von Band 2 ist für den Herbst 2023 vorgesehen.

Christian Moser und Dana Bönisch
in Kooperation mit Tim Mehogan (University of Queensland) und Maria Boletsi (Universiteit Leiden)

Das Projekt, an dem Tim Mehigan (University of Queensland, Australien), Maria Boletsi (Leiden University) und Christian Moser federführend beteiligt sind, untersucht den Beitrag den (post-) moderne Literatur zur ethischen Reflexion globaler Krisen und Zukunftsfragen (Klimawandel, Migration, Digitalisierung) zu leisten vermag. Die Grundthese des Projekts lautet, dass die Literatur eine spezifische Form von ethischem Wissen zu produziert (ein hypothetisches Wissen, ein Wissen im Modus des Als-ob), das der Komplexität aktueller ethischer Konflikte besser gerecht zu werden vermag als das propositionale Wissen der sich zuständig wähnenden Fachdisziplinen. Ein Band, der unter dem Titel Hermeneutics Between Berlin and Paris: The Search for Ethics erste Ergebnisse der Forschungskooperation präsentiert, wird Anfang 2024 im Druck erscheinen.

Christian Moser
in Kooperation mit Christiane Frey (Johns Hopkins University, Baltimore) 

Das Projekt, das ich gemeinsam mit Christiane Frey (Johns Hopkins University, Baltimore) verfolge, untersucht den Wandel kleiner Prosaformen (Apophthegma, Anekdote, Exemplum, Fallgeschichte u.a.) in der europäischen Literatur der Frühen Neuzeit. Konkret soll dabei der Frage nachgegangen werden, welche Rolle die occasio (im doppelten Sinne von Anlass und Gelegenheit) für den strukturellen Umbau der genannten Prosaformen spielt und wie sich diese formgeschichtliche Veränderung auf die grundlegende Transformation literarischer Kommunikationsformen im Übergang vom Barock zur Aufklärung beziehen lässt. Das Projekt ist Teil einer geplanten interdisziplinären Forschergruppe, die sich der Analyse von literarischen, künstlerischen und politischen Praktiken des Okkasionellen in der Frühen Neuzeit widmet.

Sabine Mainberger
in Arbeit befindliche Monographie

Gaben, wie sie in Marcel Mauss’ Essai sur le don (1923/24) verstanden werden, bringen Gruppen und Individuen in ein Verhältnis gegenseitiger Verpflichtungen, die erfüllt werden müssen und doch als freiwillige gelten. Anders als ökonomische und vertragliche sind die durch Geben, Annehmen und Erwidern geschaffenen Beziehungen nicht wirklich berechenbar, sie wirken dauerhaft, involvieren die Akteure als ganze, sind agonistisch. Reziprozität heißt dabei weder Äquivalenz von Gabe und Gegengabe noch Symmetrie der Macht zwischen den Akteuren. Entscheidend ist, dass die Beteiligten Partnerschaften und Allianzen schließen. Gaben wirken als außerordentlich mächtige Bindekraft. Normalerweise dienen sie der Befriedung, aber genauso können sie eine Fortsetzung von Feindschaft mit anderen Mitteln sein. Gaben haben mit Konvivialität zu tun: im Sinn von Festen und deren Atmosphäre der Generosität und Verschwendung und im allgemeineren Sinn von Zusammenleben. In beiden Bedeutungen haben die Künste eine zentrale Rolle. Sie gehören zu Festen, und wie diese selbst sind ihre Werke und Aufführungen Gaben, sie eignen sich aber auch in besonderem Maße dafür, die komplexen Interaktionen mit und Interdependenzen durch Gaben auszudrücken und zu reflektieren.

Für meinen Versuch, Künste (inkl. Literatur) und deren Theorien mit Gabenpraktiken und -konzepten zusammenzubringen, sind vor allem diejenigen Lesarten von Mauss’ Essai von Interesse, die die symbolischen Funktionen der Gabe und ihre Leistung für die gegenseitige Anerkennung der Beteiligten akzentuieren. Ich gehe den Überschneidungen des für die europäische Kulturgeschichte wichtigen semantischen Feldes von charis, gratia, grazia, grâce etc. mit demjenigen der Gabe nach und analysiere in historisch unterschiedlichen Szenarien, wie sich in concreto Künste und soziale Gabenbeziehungen, die auch ökonomische, politische, ethische, rechtliche und religiöse Dimensionen haben, vermitteln.

Themen umfangreicherer Abschnitte sind bisher Problematisierungen von charis in verschiedenen griechischen Tragödien; Gabentheorie der Kunst in Plinius’ d. Ä. Naturkunde (Veröffentlichung eines Ausschnitts s. Publikationsliste); Baldassar Castigliones Sozialästhetik; agonistische Konvivialität von Benvenuto Cellini und dem französischen König François Iᵉʳ (s. Publikationsliste); Winckelmanns gratia als soziale Anerkennung nach griechischem Modell (s. Publikationsliste); Schillers Ästhetik, gabentheoretisch gelesen.

Geplant sind weitere Abschnitte zu: Konvivialität und Krieg im modernen Gesellschaftsroman; Künstlertum und Sozialität in Avantgarden des 20. Jahrhunderts; Inversion des Gabenparadigmas in zeitgenössischer experimenteller Kunst und Literatur.

Sabine Mainberger
Projekt im Rahmen von TRA4 

Für Versuche, Sozialität ohne utilitaristische Reduktion zu denken, ist das auf den französischen Soziologen und Ethnologen Marcel Mauss zurückgehende Theorem der Gabe noch immer produktiv. Denn in der Gabe kommen alle Dimensionen gesellschaftlichen Lebens zusammen: ökonomische, politische, religiöse, moralische, ästhetische; sie steht damit quer zu den ausdifferenzierten Systemen, als die wir Gesellschaft heute sehen. Mit Rekurs auf die Gabe könnten von diesen Einteilungen verschüttete Querverbindungen zwischen den einzelnen Bereichen sichtbar gemacht werden. Desgleichen sind historische Perspektivierungen möglich, aber auch Analysen gegenwärtiger Phänomene. Im Sinn des semantischen Feldes von 'charis' bilden Gabe, Gnade und Grazie eine bewegliche, historisch veränderliche Konstellation.

Franziska Jekel-Twittmann

Das komparatistisch angelegte Projekt erforscht literarische Figurationen von Verunsicherung im Zeitraum von 1865 bis in die Gegenwart. Im Zentrum stehen sowohl die historische Entwicklung der Begriffe Unsicherheit und Verunsicherung als auch literarische Figurationen von Verunsicherung, insbesondere im Rahmen von Krisen- und Umbruchsituationen. Besondere Schwerpunkte liegen auf der Zeit um 1800, der Zeit um 1900 sowie der Gegenwart, die jeweils eigene Ausprägungen von Verunsicherung erkennbar werden lassen. Basierend auf einem wissenspoetologisch orientierten Zugang werden die literarischen Analysen mit Unsicherheitsdiskursen der jeweiligen Zeit in Beziehung gebracht. Das Projekt nimmt in den Blick, auf welche Weise literarische Texte nicht nur auf die jeweiligen Unsicherheiten ihrer Zeit reagieren, indem sie politische, gesellschaftliche und ästhetische Diskurse aufgreifen und reflektieren, sondern wie sie ihre eigenen, spezifisch literarischen Figurationen von Verunsicherung entwerfen und diese poetologisch reflektieren.

Franziska Jekel-Twittmann
in Kooperation mit Myriam-Naomi Walburg (Université de Liège) 

Das Projekt befasst sich mit den im Übersetzungsprozess inhärenten Instabilitäten. Den Ausgangspunkt bildet die Beobachtung, dass im wissenschaftlichen wie auch im medialen Diskurs derzeit vielfach konstatiert wird, der Kontakt mit dem kulturell ‚Fremden‘ führe zu Verunsicherung. Anstatt der Annahme nachzugehen, dass Übersetzungen solche Verunsicherungen minimieren, indem sie das Unbekannte verstehbar machen, geht das Projekt von der umgekehrten These aus: Jeder Übersetzung ist per se ein Moment der Verunsicherung eingeschrieben, da Übersetzungen unweigerlich den Prozess ihrer Entstehung in sich tragen und daher auf dessen Unabgeschlossenheit verweisen. Aufbauend auf die im November 2022 in Mainz durchgeführte Konferenz „Instabile Translationen. Verunsicherung als poetisches Prinzip der Übersetzung“ entsteht derzeit in Kooperation mit Myriam-Naomi Walburg (Université de Liège) ein Sammelband. Die Beiträge fokussieren Texte vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart, wobei ein Schwerpunkt auf den reichhaltigen Übersetzungsdiskursen der Zeit um 1800, ein weiterer Schwerpunkt auf den vielfältigen mehrsprachigen Texten der Gegenwartsliteratur liegt.

Dana Bönisch

Habilitationsprojekt

In den letzten Jahrzehnten hat sich in Theorie und Philosophie implizit ein neues Paradigma der Relation herausgebildet: Der Tropus des entanglements, also der Verknäuelung / Verflechtung / Verschränkung, ist zentral für posthumanistische Denkfiguren im engeren Sinne, aber auch für andere neuere Ökologiekonzepte. Während der ubiquitäre Netzwerkbegriff Verbindungen zwischen separaten Punkten impliziert, verweist entanglement auf ein irreduzibles Geflecht; nicht auf Interkonnektivität also, sondern auf relationale Bündel von Beziehungen. In diesem Projekt wird eine kritische Begriffs- und Ideengeschichte des entanglements entwickelt, die nicht zuletzt eine schärfere Ausdifferenzierung posthumanistischer Positionen erlaubt. Ausgehend von einer Vielzahl theoretischer und fiktionaler Texte – nicht nur aus dem 21. Jahrhundert, sondern punktuell bis ins 17. Jahrhundert hinein – soll schließlich eine Theorie des Relationalen entworfen werden, die Ethiken und Poetiken des entanglements auch vor der Folie des Globalen und des Planetarischen in den Blick nimmt und ökologische mit postkolonialen Aspekten verbindet.

Dana Bönisch

in Kooperation mit Katia Schwerzmann (Bauhaus-Universität Weimar), Marietta Kesting (Akademie der Bildenden Künste, München) und Hanna Zehschnetzler (Universität zu Köln)

Das Projekt untersucht literarische, künstlerische und mediale Praktiken, die die Verflechtungen zwischen Globalem und Planetarischem, Globalisierung und Klimakrise, ‚recorded history‘ und ‚deep history‘ sichtbar machen. Über die konkrete Frage nach Kunst als (klima)politischer Imaginationspraxis will das Projekt einen Beitrag zu inter- und transdisziplinärer Arbeit im Sinne der „Critical PostHumanities” (Braidotti 2019) leisten. Mit diesem Terminus ist nicht etwa gemeint, dass das Ende der Geisteswissenschaften gekommen sei; Braidotti formuliert im Gegenteil eine ungebrochene Relevanz geisteswissenschaftlicher Fragestellungen und Kompetenzen gerade in einer Zeit, in der Technologien allumfassend geworden sind und die Verflechtung von Ökologie, Biologie, Politik und Ökonomie derart augenfällig ist.

Matthias Beckonert

Promotionsprojekt

Seit dem 18. Jahrhundert hat das Adoptionskind einen festen Platz im Personeninventar der Literaturgeschichte; eine über Einzelarbeiten (Schneider 2002; Pethes 2011) hinausgehende, theoretisch fundierte Forschungsarbeit zu diesem Phänomen steht bislang aber noch aus. Hier findet das vorliegende, komparatistisch ausgerichtete Promotionsvorhaben seinen Einsatzpunkt: Vor dem Hintergrund der grundlegenden Umstrukturierung des Gesellschaftssystems in der Moderne (Luhmann 1993; 1998) sollen die konstitutiv an der Schwelle zwischen Natur und Kultur lokalisierbaren Adoptionserzählungen in ihrer Funktion als produktive ‚Störfälle‘ für ein Reihe von damit verbundenen Neucodierungen (u.a. des Familiendiskurses und des Nationalstaats; der sexuellen und kulturellen Reproduktion, von Identität und Differenz) in den Blick genommen werden. Dabei wird zu zeigen sein, dass der Adoption (von lat. ad + optāre:  wählen/erwünschen) in ihrer Aneignungs- und Substitutionslogik auch eine ästhetische und poetologische Qualität zukommt.

Jil Runia
Promotionsprojekt

Das Projekt beschäftigt sich mit Romanen in autobiographischer Form, häufig auch ‚fiktionale Autobiographien‘ genannt. Fiktionale Texte, deren ‚autobiographisches Ich‘ nur vorgeblich auf eine existierende Autorinstanz verweist, sind bislang kaum ausgiebig erforscht worden. Anhand von Beispielen aus Algerien und dem Libanon sowie ihren jeweiligen Diasporagemeinden soll untersucht werden, welche Funktionen das autobiographische Schreiben in den ausgewählten Texten besitzt und durch welche Techniken diese erfüllt werden. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass von Romanen in autobiographischer Form nicht selten Innovationsimpulse ausgehen, die auch von ihren faktualen Pendants aufgegriffen werden. Insbesondere gilt dies für Modelle individueller wie auch kollektiver Identitätsarbeit. Mit seinem Fokus auf zwei arabische Literaturen rückt das Vorhaben dabei von einer in der Autobiographieforschung lange Zeit vorherrschenden eurozentrischen Perspektive ab.

Celestina Trost
Promotionsprojekt

Der Einakter hat sich um 1900 durch seine programmatische Aufwertung als „neue Formel des Dramas“ (Strindberg) und „lebendiges Theater“ (Jullien) in Europa bemerkbar gemacht. Einakter erscheinen in erstaunlicher Fülle dort, wo man sich neuen Bühnenkonzepten und veränderten Dramaturgien gewidmet hat. Fügen sie sich damit einerseits in ein modernistisches Selbstverständnis ein, sind Einakter andererseits keineswegs eine Neuheit und untergraben zugleich die mit der Form artikulierten ‚Diskontinuitätsbehauptungen‘. Ausgehend von den Aporien, die den Einakter als Gattung nicht greifbar machen und in der negativen Beziehung zur Aktorganisation des Dramas nicht sinnvoll füllen lassen, macht sich das Projekt zur Aufgabe, systematisch das Textkorpus einaktiger, d.h. szenisch organisierter Dramen in den Literaturen Europas um 1900 zu erschließen. In den Texten lässt sich auf diese Weise eine Figurationsleistungen von Zeit rekonstruieren, die den referentiellen Status der Form ausspielt: Einakter verfügen über ein Wissen latenter Kontinuitäten, ihrer Abwesenheit und Vergangenheit, die Gegenwart setzt, korrumpiert, erneuert und damit als Gegenwart erst hervorbringt. Damit versucht das Projekt zu zeigen, wie der Einakter als formales Verfahren im Kontext der Zeitdiskurse der Phänomenologie, Psychologie, Philosophie und Physik produktiv geworden ist.


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